Wie WOLKERSDORF feiert(e)

FEIERN IM JAHR 1929

Oder: Festkulturen im Konflikt

In Abgrenzung von den Veranstaltungen im Umkreis der Christlichsozialen bot die Sozialdemokratische Partei ihren Anhängern eigene Kultur- und Festaktivitäten. So fanden etwa zahlreiche Treffen der Arbeiterturner, der Musik- und Theatersektion oder des Arbeiterfeuerbestattungsvereins "Die Flamme" statt. Zur Verstärkung der Wolkersdorfer Sozialdemokraten wurden bei Aufmärschen meist die Genossen und Genossinnen aus den umliegenden Gemeinden nach Wolkersdorf geholt, um größere Schlagkraft demonstrieren zu können.

Am 13. Februar hielt in Guido Ludwigs Gasthaus im "Alten Markt" ein Wiener Sozialdemokrat einen Lichtbildvortrag, der die angeblichen Vorzüge eines Lebens in der Sowjetunion vor Augen führen sollte. Weiters fanden immer wieder Aufführungen der Theatersektion statt, etwa der Bauernschwank "Die Welt geht unter". Aber auch die Musiksektion der Sozialdemokraten veranstaltete immer wieder Treffen, zum Teil auch mit den Sektionen aus Mistelbach und Stadlau. Eine Modenschau, die am 19. Oktober in Marholds Kinosaal dargeboten wurde, erregte großes Aufsehen. Das bedeutsamste Fest der Sozialdemokraten war jedoch der Erste Mai, der an die in der Vergangenheit erkämpften Rechte der Arbeiterschaft erinnern und zur Solidarität in der Zukunft mahnen sollte. Großen Zulauf erlebte auch die Republikfeier am 12. November in Wolkersdorf, die an die Gründung der Republik im Jahr 1918 erinnern sollte. Die Feier 1929 stand schon im Lichte der antidemokratischen Bestrebungen der Heimwehren, die der Demokratie eine klare Absage erteilten.

Artikel Republikfeier

Artikel Republikfeier

Diese von der sozialdemokratischen Partei veranstaltete Feier fand zum Gedenken an den Jahrestag der Gründung der Republik "Deutschösterreich" am 12. November 1918 statt. Auch dieser Zeitungsbericht steht ganz im Zeichen der Konfrontation zwischen den Christlichsozialen und Sozialdemokraten. Die besondere Betonung der Beteiligung der Frauen an der Feier sollte den mangelnden Erfolg der Wolkersdorfer Sozialdemokratie bei den Frauen kaschieren.

Sammlung Volksbote (23. November 1929).
Broschüre Gausängerfest

Broschüre Gausängerfest

Dieser Artikel im sozialdemokratischen Volksboten, der anlässlich eines Sängerfestes in Wolkersdorf erschien, das überwiegend von Persönlichkeiten der "Gegenseite", nämlich der Christlichsozialen und der Deutschnationalen Volkspartei, veranstaltet wurde, zeigt sehr gut die politisch stark gefärbte Berichterstattung zu jener Zeit. So wurde in den jeweiligen Parteizeitungen stets versucht die eigene politische Überlegenheit und die eigenen Errungenschaften herauszustreichen und die Aktivitäten der politischen Gegner in Misskredit zu bringen. Volksbote.

Sozialdemokratisches Wochenblatt für das Viertel unter dem Manhartsberg (15. Juni 1929)