Wie WOLKERSDORF feiert(e)

FEIERN IM JAHR 1929

Oder: Festkulturen im Konflikt

DAS JAHR 1929 war, wie die gesamte Zeit der ersten Republik, in Österreich von politischen Strömungen geprägt, die sich teilweise in sehr scharfer Opposition gegenüber standen. Diese ideologischen Gegensätze, vor allem jene zwischen Christlichsozialen und Sozialdemokraten, wurden auch in Wolkersdorf spürbar. Durch die Nähe zum "Roten Wien", die Bediensteten der Eisenbahn und die Arbeiter des Baugewerbes einerseits und die agrarisch geprägte Umgebung andererseits waren in Wolkersdorf die beiden Lager der Christlichsozialen und Sozialdemokraten stark vertreten.

DIE POLITISCHE LANDSCHAFT spiegelte sich auch in der nach Parteien gespaltenen Festkultur wider. Durch das Naheverhältnis der Christlichsozialen zur katholischen Kirche wurden auch christliche Festtage für Parteizwecke besetzt. Vor diesem Hintergrund veranstaltete jede der politischen Parteien für die jeweilige Anhängerschaft eigene Theateraufführungen, Vorträge, Konzerte oder Aufmärsche.

DIE FESTE IM UMKREIS der beiden politischen Lager zeigen bei allen Gegensätzen aber eine Gemeinsamkeit: Stets ging es darum die Triebhaftigkeit der Menschen im Zaum zu halten und die Disziplin in deren Körpern zu verankern. Jedes der beiden Lager strebte die "Erziehung" seiner Anhängerschaft an. Die dabei gültigen Ideale, der "katholische" und der "sozialistische Mensch", glichen einander bei genauerem Hinsehen mehr als es zunächst den Anschein hatte. Das "dritte Lager", die deutschnationale und nationalsozialistische Bewegung, trat in Wolkersdorf Ende der zwanziger Jahre öffentlich weniger in Erscheinung. Abseits der parteipolitisch besetzten Feste luden aber auch ideologisch neutrale Veranstaltungen zur Teilnahme.

Musikkapelle Schutzbund

Musikkapelle Schutzbund

Die Musikkapelle des Republikanischen Schutzbundes Wolkersdorf, Ende Zwanziger Jahre. Die Männer, überwiegend in Alltagskleidung, wirken zwar alles andere als kämpferisch. Doch schon allein die Tatsache, dass die Wolkersdorfer Parteien über eigene Musikkapellen verfügten, verweist schon auf den hohen Grad der Politisierung des Lebens im Ort. Stehend von links nach rechts: Böhm Paul, Korn Georg, Schnabl, Diwald. Sitzend von links: ?, ?, ?, Diwald, Schnabl.

Sammlung Böhm, Wolkersdorf
Männergesangsverein

Männergesangsverein

Der Männergesangsverein Wolkersdorf bei der Festtafel, 1930 oder 1931. Bereits 1872 gegründet, gehörten ihm v.a. Mitglieder des Wolkersdorfer Bürgertums an. Ein demonstratives Bekenntnis zum Deutschtum war charakteristisch für den Männergesangsverein, dessen Wahlspruch lautete: "Das deutsche Lied aus freier Brust, erweckt zu großen Taten Lust." Linke Seite des Tisches von links nach rechts: ?, Körber Rudolf, Mesner Stur, Wenzl Hermine, ?, Baumeister Ing. Hans Haas, ?, Gerichtsvorsteher Dr. Max Heidner, Herr Kiesling, Gemeinderat Matthäus Wittmann, ?, ?, ?. Rechte Tischseite, von links: Gemeinderat Lehner, Luise Steinmetz, Rudolf Singer, Alexander Scharbl, Anna Schreiber, ?, ?.

Sammlung Heidner, Wolkersdorf
Fahnenweihe Schutzbund

Fahnenweihe Schutzbund

Auch die Wolkersdorfer Sozialdemokratie verfügte in der Zwischenkriegszeit über eine eigene Wehrorganisation, den Republikanischen Schutzbund. 1924 gegründet, verstand sich der Schutzbund als Verteidiger der demokratischen Werte. Das Foto zeigt einige Schutzbündler mit vielen Ehrendamen anlässlich der Fahnenenthüllung 1925.

Sammlung Hagmann, Wolkersdorf