Wie WOLKERSDORF feiert(e)

FRONLEICHNAM

Oder: Katholische Kirche in Bewegung

DAS FRONLEICHNAMSFEST FINDET am Donnerstag nach dem Dreifaltigkeitsfest, dem ersten Sonntag nach Pfingsten, statt. Es ist eine Besonderheit Wolkersdorfs, dass die damit verbundene Prozession, der "Umgang", erst am darauffolgenden Sonntag stattfindet. Diese Regelung wurde 1809 eingeführt, als die Prozession sonntags gleichsam als Siegesfeier von Kaiser Franz I. über den französischen Kaiser Napoleon in der Schlacht von Aspern durchgeführt wurde. Spätestens seit Ende des zweiten Weltkriegs blieb die Route des "Umgangs" unverändert, auch am Standort der vier Altäre änderte sich wenig (siehe Skizze).

Die Route der Prozession

Die Route der Prozession

Der "Umgang", wie die Fronleichnamsprozession von der Ortsbevölkerung oft bezeichnet wird, folgte zumindest seit dem Zweiten Weltkrieg immer der gleichen Route. Er verband die zwei ältesten Ortsteile von Wolkersdorf, den eher agrarisch geprägten "Alten Markt" jenseits der Brünnerstraße und den "Neuen Markt", das Geschäftsviertel. Der "Umgang führte von der Friedhofsgasse durch die Kaiser-Josef-Straße zum ersten Altar bei Josef Pfaffl, Nr. 8, überquerte die Brünnerstraße, durchlief die Klostergasse und machte beim zweiten Altar an der Ecke Adlergasse/Mühlgasse (Familie Rötzer) Halt. Etwa seit den Achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts befindet sich dieser Altar schräg vis á vis beim Haus der Familie Pleil in der Adlergasse 32. Von der Adlergasse führte der "Umgang" in die Hauptstraße zum dritten Altar bei Emmerich Hrebenda, Nr. 15. Bis in die Dreißiger Jahre war der dritte Alter beim Kaufhaus des Konrad Wild, Nr. 31. Der vierte Altar befindet sich am Kirchenplatz bei der Dreifaltigkeitssäule.

Grafik Wetzl, Wolkersdorf

Eine bemerkenswerte Konstante im Erscheinungsbild der Fronleichnams-Prozession bildeten seit mehr als hundert Jahren die Hauerburschen mit der Hauerfahne. Das Tragen des "Hauerfahn" ist ein Ehrendienst.

DURCH DAS PARTEIPOLITISCHE Engagement der Kirche seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert erlangten das Fronleichnamsfest und vor allem der "Umgang" auch in Wolkersdorf politische Brisanz. Religiöse Prozession und politische Demonstration gingen mehr und mehr ineinander über. Nach dem "Anschluss" 1938 waren den neuen nationalsozialistischen Machthabern auch in Wolkersdorf die Fronleichnams-Prozessionen ein Dorn im Auge. Die Beteiligung daran galt ihnen als Gradmesser für Macht und Einfluss der Kirch auf die "Volksgenossen". Der NS-Ortsgruppenleiter von Wolkersdorf verbot 1943 den "Umgang" durch den Ort, und auch 1944 durfte die Prozession nur um die Kirche herum geführt werden. Nach Kriegende 1945 verlor das Fronleichnamsfest seine parteipolitische Signalwirkung.

FRONLEICHNAM ERFREUT SICH – wie die meisten katholischen Feste – heute nicht mehr der gleichen Beliebtheit wie noch vor etwa dreißig, vierzig Jahren. Insbesondere die Zahl der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen ist in Wolkersdorf stark rückläufig. Einer der vielen Gründe hierfür dürfte wohl in der sinkenden Prägekraft der katholischen Institutionen zu suchen sein.

Kindergartenkinder bilden eine Gruppe

Kindergartenkinder bilden eine Gruppe

"Umgang" 1934. Die Kindergartenkinder unter der Obhut einer geistlichen Schwester aus dem Kloster in Wolkersdorf bildeten eine eigene Gruppe im Zug. Die Mädchen tragen in kleinen Körbchen Gras und Rosenblätter mit, die sei auf den Weg werfen.

Sammlung Maria Schmid, Wolkersdorf.