Wie WOLKERSDORF feiert(e)

HASPINGER-FEIER 1959

Oder: Ringen um eine österreichische Identität

Zum anderen ist die Verbrüderung mit den Gästen aus Südtirol auch in den Kontext der Identitätssuche des neuen Österreich zu stellen. Die "Haspinger-Feier" ist als Ausdruck einer Zeit zu verstehen, in der man sich in Österreich verzweifelt bemühte, geeignete Vorbilder zur Schaffung einer neuen Österreich-Identität zu konstruieren. Denn nach der totalen Niederlage im Zweiten Weltkrieg wollten in Österreich nur noch wenige als Deutsche gelten; vielmehr wurde "den Deutschen" allein die Verantwortung für die Verbrechen des Nationalsozialismus zugeschoben. Andererseits schien auch die Heranziehung des Widerstandes gegen das Dritten Reich als tragfähige Basis für eine neue Österreich-Ideologie nicht gut möglich, da der bedeutendste Teil des Widerstandes kommunistisch orientiert war und sich die große Mehrheit der österreichischen Bevölkerung dem Kommunismus gegenüber klar ablehnend verhielt. Auch ein allzu offenes Anknüpfen an die Österreich-Identität, wie sie das Dollfuß-Schuschnigg-Regime formuliert hatte, war problematisch, hatte dieses Regime doch mit Kanonen auf Arbeiterwohnungen schießen lassen und einen großen Teil der österreichischen Bevölkerung ihrer politischen Heimat beraubt. Die Suche nach historischen Vorbildern für ein nationales Selbstbild war in der Nachkriegszeit also ein schwieriges Unterfangen, und die "Haspinger-Feier" kann daher rückblickend auch als Informationsquelle dafür interpretiert werden, auf welcher Basis die neue Österreich-Identität stehen könnte oder sollte. Pater Haspinger fungierte bei dieser Identitätsarbeit zwar als Kristallisationskern, doch auch die übrigen Aktivitäten im Verlaufe des Festes, die Zusammensetzung der Festkomitees, die teilnehmenden Verbände, die Rituale des Gedenkens und der Gemeinschaft legen hier eine Spur zur Beantwortung der Frage.